Besser altern durch Fasten und Spermidin

Der Wunsch nach hohem Alter

Nach Berichten der Bibel erreichte Methusalem das Alter von 969 Jahren und ist plötzlich und unerwartet in der Sintflut ertrunken. Schwimmen konnte er also nicht, das war damals auch nicht allgemein üblich. Andernfalls wäre er sicherlich älter geworden. Obgleich das durchschnittliche Lebensalter insbesondere in den vergangenen 100 Jahren kontinuierlich angestiegen ist, gibt man sich heute bescheidener als im Alten Testament. So liegt das Durchschnittsalter heute geborener Mitteleuropäer zwischen Ende 70 und Anfang 80.

Der Getreideanbau ist es, der den beiden Epochen gemein ist. Ein Segen, weil viele Menschen ernährt werden können. Ein Fluch, weil Allergien, Intoleranzen und die sogenannten Zivilisationskrankheiten hierdurch erst einen Nährboden erhalten haben.

Weizenkeime als Anti-Aging Mittel?

Von den Getreidesorten steht insbesondere der Weizen im Ruf, dem Darm nicht zuträglich zu sein. Doch ist es gerade der Weizen, genauer gesagt die Weizenkeime, denen ein besonderer Anti-Aging-Effekt nachgesagt wird. Wären wir nicht alle gerne ein wenig Methusalem? Was hat es also auf sich mit den Weizenkeimen?

Die Keime sind der wertvollste Teil des Weizenkorns. Trotzdem bleiben sie in der Mehlproduktion außen vor, weil das Mehl aufgrund ihres hohen Ölgehalts schnell ranzig würde. Weizenkeime enthalten neben B-Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxi-dantien wie Vitamin E den mit Abstand höchsten, bisher gemessenen Wert an Spermidin. Eine Substanz, die zunächst in männlichem Sperma entdeckt wurde, aber de facto in allen unseren Zellen vorkommt.

Bei Spermidin handelt es sich um biogene Polyamine, gewissermaßen Moleküle, die im Zellstoffwechsel entstehen und chemisch betrachtet den Aminosäuren ähneln. Spermidin kann durch die Nahrung aufgenommen werden, aber auch Darmbakterien sind in der Lage diese Substanz zu bilden.

Was bewirkt Spermidin?

Die genaue physiologische Funktion von Spermidin ist noch nicht vollständig geklärt, doch gibt es Hinweise darauf, dass es den Körper und vor allem auch das Gehirn vor Alterung schützen könnte. Die bei unterschiedlichen Tierarten festgestellte lebensverlängernde Wirkung scheint eng mit der sogenannten Autophagie zusammenzuhängen. Als gesichert gilt, dass die Spermidinkonzentration in den Zellen auch beim Menschen im Laufe des Lebens abnimmt.

Autophagie: Körpereigenes „Recycling“

Die Autophagie wurde von Yoshinori Ohsumi wissenschaftlich beschrieben; im Jahr 2016 erhielt er hierfür der Medizin-Nobelpreis. Es ist dies ein Prozess, mit dessen Hilfe Körperzellen unbrauchbare, eigene Bestandteile verwerten. In einem zellulären Wiederverwertungsprozess („Recycling“) werden falsch gefaltete Proteine oder veraltete Zellbestandteile zerlegt. Dann werden die Bruchstücke wieder für neue Syntheseprozesse verwendet.

Ohsumi wies in Hefezellen nach, welche Gene dafür verantwortlich sind und wie genau das Recycling der Zellbestandteile funktioniert. Zudem konnte er zeigen, dass der Prozess bei fast allen Lebewesen, auch beim Menschen, genauso abläuft. Indem sie nicht mehr benötigte Moleküle und Zellorganellen wiederverwerten, sparen die Zellen Energie und Material. Auch eingedrungene Viren, Bakterien und Fremdproteine können abgebaut werden.

Der nicht abgebaute „Zellmüll“ könnte Auslöser altersbedingter Erkrankungen sein, wohingegen die Autophagie entscheidend wichtig für reibungslose Zellfunktionen ist. Deshalb ist die Autophagie auch ein wichtiger Faktor für die Funktion des Immunsystems.

Angeregt wird die Autophagie zum einen durch verringerte Nahrungszufuhr, wie z.B. beim Fasten, zum anderen durch Spermidin (siehe Fontana).

Spermidin & Herz-Kreislauf-System

Herzinfarkt und Schlaganfall zählen zu den häufigsten Todesursachen. Abhängig vom Lebensstil steigt das Risiko mit zunehmendem Alter.

Spermidin scheint die Effektivität und Aktivität von Proteinen und Enzymen zu erhöhen und die Funktion zellulärer Organellen (zum Beispiel Mitochondrien) und Herzmuskelzellen zu optimieren (siehe Fontana). An Mäusen wurde nachgewiesen, dass die Verabreichung von Spermidin zu einer Reduzierung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zu einer besseren Herzfunktion führt (siehe Longo). Zudem konnte ein erhöhter Blutdruck dank Spermidin gesenkt werden (siehe Anson). Schließlich zeigte die Verlängerung der Lebensdauer von Mäusen um 10% die enge Korrelation von Autophagie und damit auch Spermidin mit dem Alterungsprozess.

Spermidin bei Demenz

Inwieweit Spermidin vor Altersvergesslichkeit und Demenz schützt, wird an der Charité in Berlin untersucht. Ältere Menschen nehmen dort einen Spermidin reichen Weizenkeimextrakt zu sich, und es wird fortlaufend deren Gedächtnisleistung getestet. Zumindest in Tierversuchen konnte dank Spermidin bereits eine Minderung der Altersver-gesslichkeit nachgewiesen werden (siehe Wing, Phelan).

Der „Methusalem-Effekt“ von Spermidin

Vieles deutet darauf hin, dass Spermidin dazu beiträgt, die Lebensqualität zu verbessern und Alterserscheinungen zu verlangsamen. Die Spermidin-Forschung ist noch relativ jung, deshalb wird es noch andauern, bis belastbare Forschungs-ergebnisse am Menschen veröffentlicht werden.

Gleichwohl lassen sich Nebenwirkungen nahezu ausschließen, da Spermidin sowohl in unserem Körper enthalten, wie auch seit jeher Bestandteil unserer Ernährung ist.

Der Verzehr von Spermidin ist dann sinnvoll, wenn er in einen gesunden Lebensstil eingebettet ist. Ausgewogene Ernährung und Sport, sowie ein moderates Maß an Stress und regelmäßige Entspannung bleiben nach wie vor die Voraussetzungen für ein gesundes Leben.

Autophagie durch Fasten

Genauso wie das Spermidin hängt auch das Fasten eng mit der Autophagie, dem „zellulären Recycling“, zusammen.

Im Laufe der Evolution hat sich unser Körper an Zeiten des Mangels angepasst. Verschiedene Prozesse kommen verstärkt in Gang, wenn Menschen weniger essen oder fasten. Dazu gehört auch die Autophagie.

Gut untersucht ist dieser Effekt für das Intervallfasten (intermittierende Fasten) und Scheinfasten (siehe Junnila). Beim Intervallfasten wird nur über einen kurzen Zeitraum, zum Beispiel 16 oder 24 Stunden, auf Nahrung verzichtet. Beim Scheinfasten verzehrt man 2 bis 21 Tage lang eine stark kalorienreduzierte Diät. Experten vermuten, dass die positiven Effekte des Fastens vor allem auf die Anregung der Autophagie zurückzuführen sind. Das kann die Ursache dafür sein, dass Menschen, die regelmäßig fasten, länger leben (siehe Barger).

Spermidin-Effekt ähnelt dem Fasten

Spermidin gilt als ein „caloric restriction mimetic“, also eine Substanz, die in Ihrer Wirkung einer Kalorienrestriktion gleichkommt. Spermidin ähnelt in seiner Wirkung also dem Fasten.

Demnach gibt es also mindesten zwei Optionen, um den Prozess der Autophagie anzuregen. Neben dem Verzehr Spermidin reicher Nahrung kann auch das Fasten oder eine Kombination aus beidem dazu beitragen. Gerade das intermittierende Fasten lässt sich relativ leicht in den Alltag integrieren und ist auch für Menschen durchführbar, die keine klassische Fastenkur machen möchten.

Wo ist Spermidin enthalten?

Spermidin ist in den Zellen fast aller Lebewesen und in vielen Nahrungsmitteln enthalten. Dabei gelten viele der Spermidin reichen Lebensmittel ohnehin als besonders gesund, weil sie zudem reich an Vitalstoffen sind.

Spermidin als Nahrungsergänzungsmittel

Es mag ausreichen, die oben genannten Nahrungsmittel häufiger zu essen. Es sollte allerdings eine Zufuhr von mindestens 80 µmol pro Tag erreicht werden, um lt. Studien einen positiven Effekt für die Lebenserwartung und Herzgesundheit zu erreichen (siehe Franceschi).

Falls Sie keine der oben genannten Lebensmittel regelmäßig oder gerne essen, dann kann ein natürlicher Extrakt aus Weizenkeimen eine sinnvolle Option zur Erhöhung der Spermidinzufuhr sein. Das gilt insbesondere für ältere Menschen, denn der Spermidinspiegel sinkt mit dem Alter ab und Spermidin könnte ja gerade gegen Altersvergesslichkeit und Demenz helfen.

Für weitere Informationen stehen wir in der equalance Naturheilpraxis gerne zur Verfügung.

Literatur

  • Oshumi et al.: Autophagy in yeast demonstrated with proteinase-deficient mutants and conditions for its induction. In: Journal of Cell Biology. Band 119, 1992, S. 301–311, Abstract
  • Oshumi et al.: Ultrastructural analysis of the autophagic process in yeast: detection of autophagosomes and their characterization. In: Journal of Cell Biology. Band 124, 1994, S. 903–913, Abstract
  • Oshumi et al.: A protein conjugation system essential for autophagy. In: Nature. Band 395, 1998, S. 395, Abstract
  • de Cabo et al.: The search for antiaging interventions: From elixirs to fasting regimens. Cell 157, 1515–1526 (2014).
  • López-Otín et al.: Metabolic control of longevity. Cell 166, 802–821 (2016).
  • Fontana et al.: Extending healthy lifespan—From yeast to humans. Science 328, 321–326 (2010).
  • D. Longo, S. Panda: Fasting, Circadian rhythms, and time-restricted feeding in healthy lifespan. Cell Metab 23,1048ff (2016).
  • M. Anson et al.: Intermittent fasting dissociates beneficial effects of dietary restriction on glucose metabolism and neuronal resistance to injury from calorie intake. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 100, 6216–6220 (2003).
  • R. Wing, S. Phelan: Long-term weight loss maintenance. Am. J. Clin. Nutr. 82 (Suppl), 222S–225S (2005).
  • Madeo et al.: Caloric restriction mimetics: Towards a molecular definition. Nat. Rev. Drug Discov. 13, 727–740 (2014).
  • López-Otín et al.: The hallmarks of aging. Cell 153, 1194–1217 (2013).
  • Franceschi et al.: Inflamm-aging. An evolutionary perspective on immunosenescence. Ann. N. Y. Acad. Sci. 908, 244–254 (2000).
  • K. Junnila et al.: The GH/IGF-1 axis in ageing and longevity. Nat. Rev. Endocrinol. 9, 366–376 (2013).
  • L. Barger et al.: Identification of tissue-specific transcriptional markers of caloric restriction in the mouse and their use to evaluate caloric restriction mimetics. Aging Cell 16, 750–760 (2017).
  • Madeo et al.: Spermidine in health and desease. Science 559, 410, 2018.

 

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