Raus aus der Stressfalle!

Stress – ein Dauerbegleiter in unserem Alltag

Wer kennt es nicht, das Gefühl „gestresst“ zu sein? In unserer Zeit ist es für viele fast schon zur Gewohnheit geworden: schnell noch die Kinder von der Schule abholen, rasch noch zwei E-Mails beantworten, bevor das nächste Meeting losgeht, nur noch das eine Telefonat führen, bevor man los muss … schnell schnell schnell. Dabei verlieren wir oft aus den Augen, welche Geschwindigkeit für uns „normal“, also gesund, wäre. Wir haben gelernt zu funktionieren, Ziele zu erreichen, Erwartungen zu erfüllen – nur nicht die des eigenen Körpers.

Wenn Stress ein Dauerzustand wird, laufen wir Gefahr krank zu werden: Erschöpfung, Herz-Kreislauf-Probleme, Depressionen bis hin zu Burnout, ein Syndrom, das mehr und mehr zu einer „Zivilkrankheit“ unserer Gesellschaft wird. Wie man vorbeugen kann? Beispielsweise indem wir lernen, wieder mehr auf unsere körperlich-seelischen Rhythmen zu achten. Die Natur hat uns mit wunderbaren Selbstregulationsmechanismen aus-gestattet – wir müssen sie nur nutzen bzw. (wieder) lernen, sie besser wahrzunehmen und entsprechend zu handeln.

Die körperlich-seelische Selbstregulation

Haben Sie schon mal erlebt, dass Sie sich mitten am Tag – anscheinend grundlos – plötzlich ungeheuer müde gefühlt haben? Oder dass Sie sich mitten in einem Gespräch oder einer Besprechung auf einmal nicht mehr konzentrieren konnten und richtig abwesend waren? Kennen Sie auch Situationen, in denen Sie sich richtig leistungsstark, motiviert und „voll bei der Sache“ gefühlt haben? Oder wo Sie buchstäblich über sich selbst hinausgewachsen sind? Bestimmt kennen Sie alle diese Situationen, waren sich bislang aber nicht ganz so klar, woran das liegt.

Inzwischen weiß man, dass wir unterschiedlichen biologischen Rhythmen unterliegen, die sich über unterschiedlich lange Zeiträume erstrecken: Der Schlaf-Wach-Rhythmus oder der bekannte Bio-(Tages-)Rhythmus beispielsweise erstrecken sich über 24 Stunden. Weniger bekannt ist ein  Rhythmus, der sich mehrmals am Tag wiederholt: der ultradiane Leistungsrhythmus. Er besteht aus einer 90-120 minütigen Aktivitätsphase und einer 20 minütigen Regenerations-phase. Der Rhythmus weist allerdings eine große Varianz auf, die für einzelne Personen und Situationen erheblich sein kann. Der Grund für diese natürliche Flexibilität liegt darin, dass wir so in der Lage sind, uns gut auf veränderte Bedingungen einstellen zu können.

Diese in der Forschung relativ junge Erkenntnis über diesen Leistungsrhythmus macht umso deutlicher, wie sehr uns übermäßige, zu lange andauernde Aktivität schadet. Denn durch ein Fehlen der Regenerationsphasen hat unser Mechanismus nicht die Gelegenheit, Stresssymptome abzubauen und für eine körperliche und psychische Erneuerung zu sorgen.

Die „Stressfalle“

Wenn der ultradiane Leistungsrhythmus über lange Zeit ignoriert wird, sind wir in Gefahr direkt in die „Stressfalle“ zu laufen. Wie das passiert?

Die Evolution hat dafür gesorgt, dass Selbstregulations-Zyklen geistig, körperlich, sogar genetisch bei uns verankert sind. Sie hat sogar dafür gesorgt, dass wir diese Zyklen flexibel handhaben können, um im Falle von Gefahren Kräfte mobilisieren und uns durch Kampf oder Flucht retten zu können. Eine geniale Einrichtung der Natur – gleichzeitig aber auch die größte Gefahr: Wenn wir die Phasen von Aktivität zu häufig ausdehnen (also die Signale für nötige Regeneration übergehen), entstehen „Stresshormone“  (v.a. Adrenalin), die uns das Gefühl geben, wieder „frischen Wind“ zu haben.

Evolutionsbiologisch gesehen ist das jene Kraft, die wir benötigen um lebensbedrohliche Situationen zu bewältigen. Heutzutage sind unsere Stresssituationen in der Regel jedoch nicht lebensbedrohlich. Doch da dies unser Körper nicht weiß, schüttet er angesichts einer „Notsituation“ weiterhin Stresshormone aus, die uns Kraft und Energie geben.

Aus dieser Dynamik heraus kann man sich auch wunderbar erklären, warum manche Menschen offensichtlich nur „unter Stress etwas leisten können“ und glauben, permanenten Druck und hohe Arbeitsbelastung zu „brauchen“. Das Gegenteil ist psycho-biologisch jedoch der Fall.

Wenn wir uns daran gewöhnen, uns selbst ständig mit eigenen Stresshormonen zu „dopen“, sind wir am besten Weg in ein Stresssyndrom. Funktionsstörungen und eingeschränkte Sinneswahrnehmung sind ein erstes deutliches Anzeichen dafür. Wir nehmen sie wahr als Ungeschicklichkeiten, Unfälle, Fehlentscheidungen, häufige Versprecher, Gedächtnisstörungen. Wenn wir anhaltend in diesem Stresszustand verweilen, kommen meist auch noch psychische Auswirkungen dazu: Gefühle von  Überforderung, negative Einstellung, Selbstabwertungen und Selbstzweifel bis hin zur Depression. Im letzten Stadium des Stresssyndroms rebelliert dann auch meist noch unser Körper: Wir haben Rückenschmerzen, Herzprobleme, Atemwegserkrankungen u.v.m.

Der Weg aus der „Stressfalle“

Die Lösung klingt einfach, ist jedoch – wenn man in der Stressfalle gefangen ist – oft schwer umzusetzen: Wir müssen wieder lernen, den natürlichen Rhythmen unseres Körpers und unserer Psyche zu folgen. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir (wieder) sensibel werden für die Signale unseres Körpers: indem wir beispielsweise erkennen, wenn wir müde werden, uns nicht mehr richtig konzentrieren können, Kopfschmerzen bekommen, Hunger oder Durst haben, … All diese Anzeichen deuten drauf hin, dass wir eine Pause brauchen!

Der nächste Schritt besteht darin, den Impulsen unseres Körpers auch zu folgen, z.B. vom Arbeitsplatz aufstehen, sich ein Getränk holen, ausgiebig gähnen und  strecken, frische Luft tanken, die Füße kurz hochlegen, seinen Tagträumen nachhängen … Manchmal müssen wir uns ganz bewusst dafür entscheiden, weil wir es einfach nicht mehr gewöhnt sind, regelmäßig Pausen einzulegen.

„Nicht realistisch!“ sagen Sie? Doch, ist es. Es liegt an uns, wie geschickt wir diese Pausen in unseren Alltag einbauen. Beispielsweise können wir eine Arbeitspause nutzen, um zur Post zu gehen; wir können aus dem Gang zu einer Besprechung einen Spaziergang machen. Wir können uns zwischendurch erlauben, mal zehn Minuten unerreichbar zu sein und in eine Art „Alltagstrance“ gehen oder einfach unseren Gedanken und Gefühlen nachhängen. Möglichkeiten gibt es genug, unserer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Maximale Leistungen können wir im Prinzip dadurch erreichen, wenn wir unsere Hochs und Tiefs intensivieren, das heißt, sie in unseren Tagesablauf einplanen. Denn wir arbeiten besser und effektiver, wenn wir uns auf unsere natürlichen Rhythmen einstellen: Wenn wir beispielsweise Meetings so legen, wenn wir in Top-Form sind, Mittagspausen für Erholung nutzen, zwischen Terminen Zeitpuffer einplanen (diese kann man idealerweise dann auch als Pause nutzen).

Vorteile von Erholungsphasen

Untersuchungen haben gezeigt, dass wir in Phasen von Erholung einen besseren Zugang zu unserem schöpferischen und kreativen Potenzial haben. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit  nach innen richten und Zugang zu uns selbst finden, zeigt sich unsere Kreativität oft als Ideen, Gedanken oder „Eingebungen“, Klänge oder bestimmte Körpergefühle.

Wenn es uns gelingt, mehr und mehr auf unseren natürlichen Leistungsrhythmus zu achten, haben wir in erster Linie den Effekt, dass wir aktiv zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden beitragen. Wir lernen wieder, langsamer zu werden, Entscheidungen bewusster zu treffen, vielleicht manchmal auch „nein“ zu sagen.

Eines ist gewiss – wir können Einfluss nehmen, auf unser „Stresszeitalter“ – indem wir uns wieder mehr auf uns selbst und unsere Bedürfnisse besinnen. Manchmal können wir schon sehr viel erreichen, indem wir im außen nur sehr wenig verändern. Aber genau darauf kommt es an: auf die kleinen, jedoch wesentlichen Schritte auf dem Weg zu uns selbst!

 

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